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Im Kessel. Blockupy hautnah. Ein Bericht.

Mai 20, 2012

Eins zu Eins übernommen von dem unten genannten Blog, wenn ich das darf …

Im Kessel. Blockupy hautnah. Ein Bericht..

“Der nächste Tag sollte mir dann am eigenen Leibe zeigen, was die Zuständigen in Frankfurt am Main von den allgemeinen Grundrechten halten.”

Frankfurt am Main im Mai 2012. Blockupy agiert. Ein Bericht von Carina van Fritschen. Ungefiltert.

“Occupy muss gehen, Blockupy kommt. Die Stadt Frankfurt wird vom Wahnsinn regiert und zeigt Ihr wahres Gesicht!

Ich bin eine 28 jährige Mutter eines wunderbaren sechs jährigen Jungen.

Seit dem 15. Oktober bin ich überzeugte Occupyerin und habe meinen Möglichkeiten entsprechend immer wieder an der Gestaltung des Camps in Frankfurt am Main und an deren politischen Arbeit mitgewirkt.

Nun war es dann soweit, auf Grund der Blockupy-Aktionen sollte das Camp für fünf Tage geschlossen werden. Da kein Aktivist die Begründung verstand und wir uns alle bereits im Vorfeld über die üblen Hetzkampagnen seitens der Stadt Frankfurt und der allgemeinen Medien (wie immer hier an vorderster Front die Bild-Zeitung) enorm empörten, war klar, das niemand der am 15. Mai anwesend war, freiwillig das Camp verlassen wollte.

Die Räumung verlief friedlich. Die Polizisten waren im Umgang hier recht angenehm.

Was sich als bald ändern sollte, böses dem der böses denkt…keine Medien keine Freundlichkeit?!

Nun aber mal zu den wirklichen Auswirkungen. Die Stadt Frankfurt hat einen Ausnahmezustand hervorgerufen. Straßen wurden hermetisch abgeriegelt. U-und S-Bahnen fahren nicht mehr.

Nachdem die Polizisten uns aus dem Camp getragen haben, ging es zum DGB-Haus in direkter Nähe. Dort wurden wir mit Essen und Trinken versorgt und es war die Anlaufstelle für alle nun Heimatlosen, um weiteres zu planen. Vor allem war es die Möglichkeit für Menschen wie mich, sich einen neuen Schlafplatz zu suchen.

Nichts ahnend saßen wir im Hof des DGB und aßen. Auf einmal wurde es schwarz um uns. Das gesamte Gelände des DGB wurde von Polizisten umstellt. Ein paar von Ihnen wollten aufs Gelände. Ich ging mit ein anderen Aktivisten auf sie zu.

Der eine Aktivist sagte, dass sie hier nicht hin dürfen. Das verneinte der Polizist. Wenn er wolle, käme er sehr wohl aufs Gelände. Daraufhin gingen andere aufmerksam Gewordene zu den Zuständigen des DGB. Es wurde die Polizei gefragt, was den nun geschehen würde, wenn wir das Gelände verlassen wollten.
Resultat: Jeder der das Gelände verlässt wird polizeilich erfasst!

Wow, da saß ich nun. Ich bekam das Gefühl, eingesperrt zu sein. Kriminalisierung von Menschen mit eigener Meinung systemisch vorbereitet!

Dank des DGB gingen die Herren dann wieder. Auch ein Tag später, versuchten die Polizisten aus Gelände zu kommen, wovon die Demonstranten sie aber abhielten, indem sie sie rausdrängten! Der DGB klärte die Situationen dann außerhalb des Geländes immer wieder zu unseren Gunsten.

Die Ersten Meldungen, dass Busse bereits an den Autobahnen angehalten wurden und die Insassen, Platzverweise für die gesamte Frankfurter Innenstadt bekamen, ohne überhaupt in Frankfurt gewesen zu sein, wurden verkündet.

Nun stellte sich die Frage, wie es weiter geht.

Wir wollten zur Uni, die sollte nämlich bis einschließlich Montag geschlossen werden. Mit ihr der Asta, in dem unser Ermittlungsauschuss sitzt. Die Nummer, die man Anruft, wenn man bei Demonstrationen festgenommen wird oder auch Platzverweise bekommt. Diese Menschen kümmern sich mit Rechtsanwälten dann darum. Dass das natürlich verhindert werden muss, ist in diesem Zusammenhang klar. Also auf zur Uni.

Immer lauter wurden die Nachrichten, dass Menschen angehalten wurden, in Straßen Sperren und bereits Platzverweise bekamen, weil sie optisch den Demonstartionen zuzuordnen waren.

Demnach ließen wir das Gepäck beim DGB und machten uns „Inkognito“ auf den Weg zur Uni.

An jeder Ecke sah man Kontrollstationen der Polizei, die willkürlich Menschen anhielt.

Nach der Aktion an der Uni, war dann zu überlegen, wo wir schlafen sollten. Zu Beginn des Tages wollten wir uns an den Main legen (ohne Zelte, denn schließlich wurden die immer noch eifrig von “Steuergeldern auf zwei Beinen” bewacht) – doch im laufe des Tages wurde uns klar, dass das nicht wirklich eine gute Idee wäre. Die Angst Nachts von der Polizei eingesammelt zu werden und Platzverweise zu kassieren, wuchs zunehmend.

Dank einem von uns, schliefen wir in Ruhe auf einem Privatgrundstück etwas außerhalb in der Wiese.

Der nächste Tag sollte mir dann am eigenen Leibe zeigen, was die Zuständigen in Frankfurt am Main von den allgemeinen Grundrechten halten.

Anlaufstelle war erneut das DGB-Haus. Dort angekommen wurden wir von über 20 großen Polizeiautos begrüßt, die den Seitenstreifen der kleinen Staße fast komplett besetzten.

Nach dem Frühstück wollten wir dann zum Paulsplatz. Historisch gesehen, einer der wichtigsten Plätze in Sachen Demokratie für Deutschland!!! Demonstrationsverbot, gilt aber auch dort (traurig genug).

Noch nicht angekommen, stießen wir auf eine Kontrollstation der Polizei vor dem Platz. Eisessenderweise suchte ich meinen Weg durch diese Menschen. Ging nicht, ich wurde aufgehalten. Ausweise vorzeigen!

Polizist:„Wollen sie zur Demonstration am Paulsplatz?“
Wir:„ Ach da ist eine Demo? Is die den nicht verboten?“
Polizist:„Warten sie hier einen Moment!“
Und da marschierten unsere Ausweise Richtung Polizeibus. Ich sage Euch, das war eine richtige Massenabfertigung, Polizisten mit Ausweisen gingen hin und her! Eine Polizistin fragte mich, ob ich auch im Camp geschlafen hätte „ Nö, hab ich nicht!“. Die letzte Nacht zumindest nicht, die sollten lernen, Ihre Fragen etwas genauer zu stellen!!!

Während Peter den Polizist neben uns darauf hinwies, dass es nach der Verfassung von Hessen (für alle die, die es nicht wissen, unser Staat hat keine Verfassung, aber die Bundesländer sehr wohl) die Pflicht jedes Bürgers ist, gegen den Abbau der Demokratie sich zur Wehr zu setzen und das auch für die Polizisten gelten würde (eine unsere Lieblings-Beschäftigungen: Die Polizei darauf hinweisen, dass sie sich gerade auf sehr dünnem Eis befindet, weil sie nicht Ihrer Aufgabe nachkommt, sondern nur blindlinks Befehle verfolgt, statt sie zunächst darauf zu prüfen, ob sie mit der Verfassung/Grundgesetz, auf die sie Ihren Eid geschworen haben, vereinbar sind…)

Dann kamen unsere Ausweise, samt Anhang wieder zurück!
Polizist:„ Hiermit erteile ich Ihnen einen Platzverweise bezogen auf den Paulsplatz für den heutigen Tag.“
Wir:„ Warum das den, wir sind ja nicht einmal auf dem Paulsplatz?“
Polizist:„ Weil sie bereits bei Occupy dabei waren.”
Wir:„ Was hat bitte Occupy jetzt damit zu tun, das ist doch seid gestern erstmal weg!”
Polizist: “Trotzdem, es findet gerade eine verbotene Demonstration am Paulsplatz statt und der sind Sie zuzuordnen!”
Wir:„ Ich werde diesen Platzverweis nicht annehmen, wenn ich ihn nicht schriftlich bekomme.“
Polizist:„ Ich werde Ihnen den Platzverweis nicht schriftlich geben, sollten sie nun doch auf den Paulsplatz gehen und im Rahmen der Demonstration erneut geprüft werden, möchte ich sie hiermit darauf hin weisen, dass ich den Platzverweis schriftlich vermerkt habe und Sie daraufhin in Gewahrsam genommen werden.“

Schwub, kam eine Durchsage und die Herren und Damen der Staatsgewalt mussten selber zum Ort des Geschehens. Wie praktisch, wir mussten nicht mehr suchen, sondern ihnen nur hinterher laufen.

Dort angekommen, waren bereits ein Haufen Demonstranten eingekesselt. Nervös wie Schwein stand ich da, gab noch gerade an unsere Presse weiter, was kurz zuvor geschehen ist und suchte dann Peter. Ich drehte mich von der Demo weg und schaute (direkt an den Kessel angrenzend, aber auf der freien Seite) nach Peter. Und etwas um mich rum. Auf einmal, nicht gewusst wie geschehen, stand ich IM Kessel!!!

Na, sehr nett, danke dafür!

Aber ich sah Peter außerhalb und habe nach Ihm gerufen. Er kam auf die andere Seite des staatlichen unsichtbaren Vorhangs und ich sagte: „ Kann ich mal durch??“
Polizei:“ Nein!“
Ich:„ wieso das denn jetzt??? „
Polizei:„ Sie sind optisch der Demonstration zu zuordnen!“

Bitte WAS???? Ich bin unfreiwillig im Kessel gelandet und darf dann nicht mal mehr raus??? Geht’s denn noch??

Ich ignorierte die Polizei und sagte zu Peter: “Hier ist keine Mauer, kein Zaun, nicht einmal eine Linie. Was meinst Du, was geschieht, wenn ich jetzt einfach durchgehe???“
Daraufhin der Polizist : „Na, dann gehen Sie jetzt raus“, patzig wie ein kleines Kind, das jetzt das Spielzeug teilen muss. Als die Lücke sich öffnete, wollte Peter dann aber lieber rein.
Polizist:„ Dann gehen sie jetzt aber auch raus!“

Ich:„ Nö, danke, jetzt ist er ja drin.“

Da waren wir nun im Kessel, gemeinsam mit alten Frauen, Kindern, Kleinkindern. Ich fragte die Polizei noch, warum sie denken, dass es gerechtfertigt sei, uns einzukesseln und zu verbieten. Daraufhin meinte eine Beamtin, dass wir gewaltbereit wären und dass das ja nicht ginge. In dem Moment wackelte gerade ein kleines süßes Kind an mir vorbei.
“Das meinen Sie mit Gewalt??? Kleine Pampersrocker mit Schnuller?? Die einzigen Indizien für Gewalt sehe ich an Ihrer Ausrüstung (Schlagstock, Tränengas, Pistole)…” … und da flogen Seifenblasen, auf sie zu. Entstanden in der Demonstranten-Ecke!!!

Es war wirklich ein sehr kroteskes Bild.
Ich wollte mir die Sache mal von oben anschauen. Was ich sah, waren viele Menschen, die ruhig dastanden, Grundgesetze hoch hielten, Musiker, Kinder, alte Menschen, umzingelt von einem schwarzen Ring aus Polizisten. Sie schauten immer zu ganz böse drein, während Ihnen die Seifenblasen um die Ohren flogen.

Nach einer Weile erfuhren wir, das Landtags- und Bundestagsabgeordnete freiwillig in Solidarität mit den Demonstranten im Kessel waren.

Immer mal wieder versuchte die Polizei, mit Lautsprechern etwas zu sagen. Unmöglich, denn zeitgleich ging ein Getöse seitens der Demonstranten los, dass es unmöglich machte, zu verstehen was gesagt wurde.

Ich stand da und dachte, das ist doch alles verrückt. Die Polizisten wussten nicht, warum sie da sind und die dies wussten, konnten es nicht nachvollziehen.

Und dann habe ich es mit Hilfe von Freunden aus dem Kessel geschafft, um nach Hause zu fahren. Bei der Bahn dann die Spitze der absoluten Absurdität.

Nicht nur, dass ich ständig gefragt wurde, wie man aus dem Bahnhof käme, weil der Haupteingang dicht war (eine weitere Demo). Eine Durchsage komplettierte den Wahnsinn, der gerade in Frankfurt durch die Stadt geschaffen wurde: “Aufgrund polizeilicher Maßnahmen sind folgende Haltestellen der S- und U-Bahn gesperrt…  Aktivisten der verbotenen Blockupydemonstrationen werden gebeten, nicht daran teilzunnehmen und wieder nach Hause zu fahren.“

BITTE WAS???

Resume:
Frankfurt zeigt Europa und allen deutschen Bürgern gerade sehr deutlich, wieso es Occupy gibt, wieso Blockupy notwendig ist. Wir werden konsequent unserer Grundrechte beraubt. Menschen aus Deutschland dürfen sich nicht mehr frei im Land bewegen. Menschen aus Europa genausowenig.
Man bekommt Platzverweise wegen des Aussehens.
Das Demonstrationsrecht wird willkürlich abgeschafft, mit den fadenscheinigsten Begründungen.
Eine ganze Stadt wird zum Spielplatz tausender Polizisten.
Man fühlt sich, als wäre der Notstand ausgebrochen. Die Stadt hat sich mit ihren Maßnahmen noch vor den Blockupy-Tagen komplett selbst blockiert…

Frankfurt am Main wird zum Schauplatz für staatliche Willkür, Unterdrückung, Grund- und Menschrechtsverletzungen, Ausgrenzung, Kriminalisierung von Menschen.

Die Medien berichten: Nichts bis inhaltslos.

Dort geht gerade die wehrhafte Demokratie den Bach runter!